Im Gespräch mit den Familienhebammen des Bezirkes

14. Dezember 2015

Die Familienhebammen sind ein wichtiger Bestandteil der Frühen Hilfen, auch im Bezirk Treptow-Köpenick. Wie sich die alltägliche Arbeit der Familienhebammen dabei gestaltet und an welche Grenzen sie in den Familien manchmal stoßen, haben die beiden Familienhebammen des Bezirks, Frau Kühl vom Träger MSBW e.V. und Frau Zupp von offensiv’91e.V. der Koordinatorin der Frühen Hilfen im Bezirk, Frau Julia Bartels, erzählt.

Erst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben. Gerne würde ich als erstes fragen, welche besonderen Aufgaben Familienhebammen in Abgrenzung zu den Regelhebammen haben?
Frau Kühl: Zwischen der Versorgung durch eine Regelhebamme und der Betreuung durch eine Familienhebamme liegt ein großer Unterschied. So betreuen wir die Familien meist bis zum ersten Geburtstag des Kindes und legen ein spezielles Augenmerk auf eine gelungene Eltern-Kind-Bindung. Zudem unterstützen wir die Eltern dabei, sich in ihre Mutter- bzw. Vaterrolle gut einzufinden. Dabei arbeiten wir ressourcenorientiert. Das bedeutet, wir suchen mit den Eltern nach den Ressourcen, die sie haben, stärken diese und zeigen Wege auf, wie sie diese nutzen können. Natürlich haben die Eltern aber auch sehr spezielle Probleme, wie z.B. Depressionen, eine Suchterkrankung und/oder wirtschaftliche Probleme, auf die wir eingehen. Hier ist es wichtig, gute Kooperationspartner zu finden, um der Familie ein gutes Netzwerk aufzubauen.
Mit welchen Netzwerkpartnern arbeiten Sie diesbezüglich zusammen?
Frau Kühl: Unser Netzwerk ist breitflächig aufgestellt, so besteht u.a. eine enge Zusammenarbeit mit dem KJGD, vor allem, wenn es darum geht, versäumte Vorsorgetermine nachzuholen oder einen Arzt aufzusuchen. Wir arbeiten aber auch mit den freien Trägern der Jugendhilfe zusammen, da es oft auch hilfereich sein kann, Sozialpädagogen_innen mit ins Boot zu holen, um die Familie beispielsweise bei Ämtergängen zu unterstützen. Und natürlich arbeiten wir auch mit Institutionen zusammen, die sich mit Suchterkrankungen auskennen.
Frau Zupp: Als wichtige Netzwerkpartner würde ich auch das Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung, das Jobcenter und natürlich auch die Regelhebammen nennen.
Frau Kühl: Für unsere Arbeit sind außerdem die Krankenhäuser wichtige Ansprechpartner sowie die niedergelassenen Gynäkologen und Kinderärzte. Darüber hinaus nutzen wir ehrenamtliche Projekte, wie zum Beispiel „Wellcome“, gerade dann, wenn die Familien selber keine sozialen oder familiären Ressourcen haben und gerne weiter im Alltag unterstützt werden möchten.
Wie lange bleiben Sie durchschnittlich in einer Familie?
Frau Zupp: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Fälle, in denen wir anderthalb Jahre tätig sind, vor allem dann, wenn wir schon in der Schwangerschaft ansetzen können, was für mich natürlich der Optimalfall ist. Denn so sehe ich bereits die Entwicklung in der Schwangerschaft und kann natürlich schon mehr Vorarbeit leiste, als wenn ich erst anfange, wenn das Kind drei oder vier Monate alt ist. Aber wie gesagt, es ist sehr unterschiedlich, wie lange ich eine Familie begleite und hängt ganz vom Bedarf der Familie ab.
Wie wird denn das Angebot der Familienhebamme insgesamt von den Familien angenommen?
Frau Kühl: Das Angebot wird sehr gut angenommen, zumal viele Familien den Beruf der Hebammen kennen und bereits Erfahrungen mit der Hebammenbetreuung haben. Somit haben wir Hebammen oft einen Vertrauensvorsprung und die Familien nehmen unsere Arbeit gerne in Anspruch, gerade, wenn sie uns ein wenig kennengelernt haben.
Frau Zupp: Ja, die Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich hatte bis jetzt noch keine Familie, die die Hilfe abgebrochen oder gesagt hat, dass sie mit der Unterstützung nicht zurechtkommt. Eher im Gegenteil - ich hatte bis jetzt immer ein sehr positives Feedback.
Kann das Angebot der Familienhebamme auch ein Türöffner für andere Hilfen z.B. für Hilfen zur Erziehung sein?
Frau Zupp: Auf jeden Fall! Also ich hatte schon zwei-, dreimal den Fall, dass in Absprache mit der Familie eine weiterführende Hilfe installiert wurde. Hier war es oft sehr wichtig, die Familien in diesem Prozess zu begleiten und die Aufgaben des Jugendamtes zu erklären, da diesbezüglich zum Teil elementare Ängste in den Familien bestehen.
Was ist das besonders schöne/interessante an Ihrer Arbeit?
Frau Kühl: Also ich habe nochmal eine ganze Menge über mich selbst gelernt bzw. auch für mich selbst gelernt. Insbesondere durch die intensive Netzwerkarbeit. Das kannte ich vorher als Regelhebamme nicht. Ich finde es einfach spannend, mit den unterschiedlichen Akteuren zusammen zu arbeiten und mich auszutauschen, auch wenn das viel Arbeit bedeutet. Zudem ist es besonders schön für mich, mit den Familien und insbesondere mit den Kindern so lange und intensiv zu arbeiten und ihre Entwicklung dabei begleiten zu können. Dadurch erreicht man in der Arbeit auch viel, wobei es wichtig istdie Selbsthilfekräfte der Familien anzuregen und sie zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu finden.
Besonders schön ist es für mich, wenn die Familien wirklich wollen,  man ihre Erfolge miterleben kann und nach einem Jahr mit dem Wissen aus den Familien geht, dass sie ihre Ziele erreicht haben haben.
Im Gegensatz dazu, wo sind die Grenzen Ihrer Arbeit?
Frau Zupp: Also ich finde es schwierig, mit Familien, die durch bestimmte psychische Erkrankungen sehr stark belastet sind, zu arbeiten. Da sehe ich persönlich zum Teil meine Grenzen und auch für die Familien ist das Angebot dann oft nicht mehr ausreichend. Ich habe beispielsweise letztes Jahr eine Mutter betreut, die eine sehr starke Depression hatte und da war ich irgendwann nicht mehr die richtige Ansprechpartnerin. Eine weitere Grenze ist natürlich, wenn es um Kindeswohlgefährdung geht. Hier ist es wichtig, die Gefährdung zur erkennen, mit der Familie zu besprechen und, wenn nötig, auch mit weiterer Unterstützung abzuwenden.
Eine andere Grenze ist struktureller Art. So bräuchten wir in Treptow-Köpenick, um den Bedarf zu befriedigen, mehr Familienhebammen und mehr Stunden in den Familien. Wir arbeiten beide nur mit einer halben Stelle – 20 Stunden – als Familienhebammen hier im Bezirk. Das ist das, was durch die Bundesinitiative „Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen“ finanziert ist, es gibt aber mehr Bedarf.
Daran schließt sich die letzte Frage an, was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit?
Frau Zupp: Im Prinzip habe ich es ja schon gesagt, was ich mir wünsche. Einfach, dass mehr finanzielle Mittel für die Arbeit der Familienhebammen zur Verfügung gestellt werden und dass die Arbeit in Politik und Öffentlichkeit mehr Anerkennung findet. Ansonsten finde ich es total super, wie ich in meinem Team aufgenommen wurde und wie wir die Arbeit miteinander zum Wohle der Familien gestalten.
Dem kann ich zustimmen. Ich fühle mich bei meinen Träger sehr gut aufgehoben. Ich fühle mich dort auch wertgeschätzt und akzeptiert. Mir fehlt die allgemeine Akzeptanz, Anerkennung und Wertschätzung des Hebammenberufes.
Hebammen leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung junger Familien und das sollte mehr gewürdigt werden.